Sonja Ablinger

Weichspülung der Demokratie?

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Es ist eine erstaunliche Leistung einer öffentlichen Uminterpretation: Aus einer Finanzkrise wird eine Staatsschuldenkrise und statt der Finanzmärkte müssen nun die öffentlichen Haushalte einer strengen Kontrolle unterzogen werden. Die Regulierung der Staatsschulden ist  „alternativenlos“ und nur ein europaweiter radikaler Sparkurs ist die Lösung. Gleichzeitig wird damit auch ein Lehrstück zur Weichspülung der Demokratie und zur Aushebelung der Parlamente geprobt. Von ‚galoppierender Entdemokratisierung’ schreibt dazu Wolfgang Streeck, Direktor des Max-Planck-Instituts für Gesellschaftsforschung in Köln, in einem Gastbeitrag im Juli in der ‚Süddeutsche Zeitung’ unter dem Titel ’Ein neuer Kapitalismus? Das Ende der Nachkriegsdemokratie’ (auf den mich ein Freund dankenswerterweise hingewiesen hat).

Man muss es immer wieder in Erinnerung rufen: es waren die internationalen Finanzmärkte, die mittels ihres Kasino-Kapitalismus die öffentlichen Haushalte in die Verschuldung getrieben haben. Die öffentlichen Haushalte haben sich zur Rettung der Banken verschuldet und mit öffentlich finanzierten Konjunkturpaketen Europa vor einer Massenarbeitslosigkeit und Massenarmut gerettet. Nun wird die Verschuldung der Staaten genutzt, um die europäischen Wohlfahrtsstaaten abzubauen. Obwohl wir gerade jetzt den Ausbau bei Bildung, Forschung, Pflege und öffentlicher Infrastruktur brauchen, wird die Trommel für den Rückbau der sozialen Leistungen gerührt. Die privaten Vermögen sollen dabei unangetastet bleiben. Dabei wissen wir: In allen Ländern Europas machen die Vermögen der Superreichen ein Vielfaches der Verschuldung aus. Es gilt noch immer: Geld ist genug da, es wird nur falsch gehortet.

Es ist tatsächlich eine erstaunliche Leistung einer öffentlichen Uminterpretation.  Aus einer Finanzkrise wird eine Staatsschuldenkrise und statt der Finanzmärkte müssen nun die öffentlichen Haushalte einer strengen Kontrolle unterzogen werden. Die Regulierung der Staatsschulden ist nun „alternativenlos“ und nur ein europaweiter radikaler Sparkurs ist die Lösung. Gleichzeitig wird damit auch ein Lehrstück zur Weichspülung der Demokratie und zur Aushebelung der Parlamente geprobt.

Griechenland, das Land, das uns als die „Wiege der Demokratie“ galt, steht an der Schwelle eines wirtschaftlichen und sozialen Desasters. Die aufgezwungenen Sparpakete treiben es immer tiefer in die Krise, weil sie zu schnell und zu dramatisch sind und einen gegenteiligen Effekt haben. Ein Ministerpräsident, der das Volk befragen wollte, wurde aus dem Amt gejagt. Griechenland dient nun allen Euroländern als Drohgebärde, um die Menschen in Europa damit in Angst und Schrecken zu versetzen, was einem Land passieren kann, wenn es nicht „gehorcht“ und sich gegen das „Zu Tode Sparen“ wehren will.

Von ‚galoppierender Entdemokratisierung’ schreibt dazu Wolfgang Streeck in einem Gastbeitrag im Juli in der ‚Süddeutsche Zeitung’. Unter dem Titel ’Ein neuer Kapitalismus? Das Ende der Nachkriegsdemokratie’ warnt er davor, wie sich die europäische Integration immer mehr zu einem “Elitenprojekt entwickelt:

„Schon im Verfahren beginnt, was immer deutlicher als galoppierende Entdemokratisierung des europäischen Staatensystems erkennbar wird. Und das nicht erst, seit die versammelte Europäische Union einen gewählten Ministerpräsidenten, der die ihm verordnete Kürzungspolitik einem Referendum unterwerfen wollte, durch einen erprobten Vertrauensmann des Finanzkapitals ersetzte. Seit Jahren beschließen Brüsseler Gipfeltreffen immer neue institutionelle Veränderungen, die dann mit der Zinspistole der “Märkte” am Kopf stehenden Fußes durch die nationalen Parlamente ratifiziert werden müssen. Dabei wird die Kunst der Mehrebenendiplomatie, mit deren Hilfe Regierungen schon immer ihre Macht gegenüber ihren Parlamenten zu stärken wussten, zur Vollendung gebracht, indem Verpflichtungen zu tief gehenden Verfassungsänderungen beschlossen werden, gerne auch mit Ewigkeitscharakter, zu denen es dann “keine Alternative” gibt, auch weil “die Märkte” auf jedes Zögern mit “Panik” reagieren könnten.”

Das alles hat Folgen: Die disziplinierende Wirkung von Griechenland dient den Neoliberalen als breit geöffnetes Einfallstor für Sachzwang- und Sparzwangpolitik ohne großen Widerstand. Die Europäische Union, die als Friedens- und Fortschrittsprojekt gefeiert wurde, tendiert dazu, das Instrument für den Abbau von Wohlstand und Demokratie zu werden.

Dabei wissen wir:  Wenn Europa sich konzertiert und gleichzeitig aus den Staatsschulden spart, droht eine Rezession mit verheerenden Folgen von Massenarbeitslosigkeit und Massenarmut. Schuldenabbau bei sinkenden Einnahmen, führt nur immer tiefer in den Strudel. Nur wenn Staatseinnahmen steigen und das Wachstum anspringt, können Schulden abgebaut werden.

Wir müssen als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten die Alternative zu dieser gefährlichen Sparzwang- und Sachzwangpolitik sein. Wir müssen glaubwürdig dagegen auftreten und klarmachen: Unser Sozialsystem ist finanzierbar, unregulierte Finanzmärkte und wachsende soziale Ungleichheit sind es nicht!

 

 

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