Sonja Ablinger

Wer ‚von Zerstörung der Ehe’ redet, handelt verantwortungslos

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Eine Gewaltbeziehung basiert auf einem Kreislauf, einer Spirale der Gewalt. Die Formen männlicher häuslicher Gewalt sind unvorstellbar. Die Übergriffe reichen von Ohrfeigen oder Schlägen mit Händen und Fäusten bis hin zum Zufügen von Verbrennungen. Die Frauen werden mit Gegenständen wie Sesseln, Vorhangstangen und Gürteln geschlagen. Sie werden mit Füßen getreten, an den Haaren gerissen, gewürgt oder auf den Boden geworfen.

Häusliche Gewalt beschränkt sich aber nicht auf Verletzungen der physischen Integrität, sondern es geht vielmehr auch um massive Einschränkungen der autonomen Lebensführung und um sexualisierte Gewalt.

Erschreckende Beispiele kennen wir aus der Praxis:

Er kontrolliert ihre Sozialkontakte. Er kontrolliert ihre Telefonate. Er schreibt ihr vor, wann und ob sie ausgehen kann. Er lauert ihr auf, er sperrt sie ein. Er verbietet ihr, den Führerschein zu machen. Er verbietet ihr das Essen; er zwingt sie zum Essen. Er hindert sie am Schlafengehen; er zwingt sie, auf dem Boden zu schlafen. Er zwingt sie zum Ansehen von Pornografie. Er beschimpft sie als Hure. Er zwingt sie zu Sexualität. Er zwingt sie zu Sexualität, nachdem er sie geschlagen hat. – Die Liste ließe sich fortsetzen.

Und: Die Spirale der Gewalt beginnt immer wieder von vorne. Er bereut, schwört Besserung, schwört Liebe, dass er ohne sie nicht leben könne. Sie bleibt, verzeiht, glaubt ihm, sucht die Schuld bei sich selbst – bis zum nächsten Mal. Dabei werden die Abstände immer kürzer und die Gewaltakte immer brutaler, lebensbedrohlicher.

Für Frauen sind die Folgen dieser männlichen Gewalt enorm. Ich rede dabei nicht nur von der Verletzung der körperlichen Integrität durch Prellungen, Knochenbrüche und Kopfverletzungen, sondern auch davon, dass die Frauen ihre Selbstachtung verlieren. Ich rede von Schlaf- und Essstörungen, ich rede von Depressionen, Angststörungen, Alkohol- und/oder Medikamentensucht und ihrer vollständigen Isolierung.

Diese Frauen sind traumatisiert. Sie verdrängen, sie schweigen, sie zerbrechen – und sie versuchen, zu überleben, über Monate, über Jahre, über Jahrzehnte. Manchen gelingt das nicht. Aber manche brechen das Schweigen und wenden sich an ein Gewaltschutzzentrum, suchen Hilfe und wollen den Gewalttäter endlich anzeigen, wollen aus dieser Gewaltbeziehung endlich aussteigen.

Wer hier ‚von Zerstörung der Ehe redet’ verhöhnt die Frauen, die endlich den Mut aufbringen zu fliehen und handelt über die Maßen verantwortungslos. Er und sie hat sich mit Gewaltgeschichten noch nie beschäftigt.

Es sei erinnert an das Zitat der Europarats-Kampagne gegen häusliche Gewalt: „Es beginnt mit Schreien und darf nie mit Schweigen enden.“

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