Sonja Ablinger

Die Tagesordnung des Feminismus ist noch nicht erschöpft. Zum Frauentag 2013

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Mein Prinzip heißt „Einmischung“. Es gibt keine Frauenthemen in der Politik, wenn wir sie nicht dazu machen. Gleichzeitig gibt es in der Politik keine Themen, die keine Frauenthemen sind – wir müssen nur manchmal zweimal hinschauen.  Alle Probleme von Frauen, die sich aus unterschiedlichen Rollen von Männern und Frauen und der ungleichen Verteilung von bezahlter Lohnarbeit und unbezahlter Reproduktionsarbeit ergeben, gelten als “Frauenprobleme”, obwohl es natürlich gesellschaftliche Fragen sind, die nicht nur die Frauen angehen. Manchmal gehen sie sogar die Männer so sehr an, dass sie sich erst gar nicht damit auseinandersetzen wollen.

So Johanna Dohnal in einer Rede 1992 zum Knittelfelder Frauenforum, die nun in dem neuen ‘Politischen Lesebuch‘ veröffentlicht wurde.

Eine dieser ‘Frauenprobleme’  ist die wirtschaftliche Selbstständigkeit und Unabhängigkeit. Sie ist eng an die Einkommenssituation gebunden. Die Frage ist: Kann ich von dem Einkommen, der Pension alleine leben, wenn ich das möchte oder reicht es für ein unabhängiges Leben nicht aus. Natürlich leben viele Menschen gerne und lieber zu zweit. Wo die Liebe hinfällt. Aber es ist ganz entscheidend, ob diese Entscheidungen für eine Lebensform freiwillig oder ökonomisch erzwungen sind oder auch ob das alleine leben in angespannte finanzielle Verhältnisse führt.

Ein Blick in den aktuellen Frauenmonitor 2013 der Arbeiterkammer Oberösterreich zeigt: Für mehr als die Hälfte der Frauen reicht ihr Einkommen gemessen an ihren Bedürfnissen gerade bzw. nicht aus. Fast zwei Drittel der Frauen befürchten auch, dass ihre Pension später nur knapp fürs Leben reichen wird. Für Männer gilt das in weit geringerem Ausmaß.

Die Einkommenssituation von Frauen orientiert sich - sagen diese Zahlen – nach wie vor an dem Niveau einer ‚Dazuverdienerin’ und nicht an der Eigenständigkeit. Aber Frauen sind keine Dazuverdienerinnen mehr. Schon lange nicht. Nur entlohnt wird der Großteil der Frauen als würde ein Taschengeld reichen. Mittlerweile sind die Mehrheit der Frauen und zwar knapp 60 Prozent aller unselbstständig beschäftigten Frauen entweder in Teilzeitarbeit, geringfügig beschäftigt oder bei einer Leiharbeitsfirma angestellt, wie der ORF berichtete. Armut ist weiblich aber auch Working poor, also arm trotz Arbeit, ist weiblich.

Die untersten Einkommen – das sind vielfach Einkommen von Frauen – mussten laut Rechnungshofbericht seit 1998 die stärksten Kaufkraftverluste hinnehmen, weil ihre Einkommenszuwächse teils deutlich unter der Inflationsrate lagen. Die Realeinkommen (also die inflationsbereinigten Einkommen, die etwas über Kaufkraft ausdrücken) des unteren Einkommensviertels sind in den vergangenen 14 Jahren um mehr als 15 Prozent zurückgegangen. Jene Menschen – also vielfach Frauen -  die weniger als der Durchschnitt verdienen, haben noch einmal am meisten Einkommen verloren.

Was der Rechnungshofbericht auch belegt: seit 14 Jahren unverändert ist die Einkommensschere zwischen den Geschlechtern: Das mittlere Einkommen der Frauen liegt bei 60 Prozent des mittleren Männereinkommens. Die große Ungleichheit, die Kluft zwischen den Frauen- und Männereinkommen, der Abstand zur wirtschaftlichen  Eigenständigkeit, verändert sich kaum.

Die Wirtschaftskrise hat die Ungleichheiten verschärft – oder vielmehr, weil die Ungleichheiten bei den Einkommen seit Jahrzehnten angewachsen sind, konnte die Krise solche Ausmaße annehmen. Eine Umverteilung von unten nach oben, eine Umverteilung der Früchte der Arbeit weg von der Masse der Bevölkerung hin zu den Gewinneinkommensbeziehern und Finanzmarktakteuren hat die Schieflage erst produziert. Weil der Wohlstand immer ungerechter verteilt und die Einkommen – gemessen im Vergleich zu den Gewinnen – immer geringer wurden und werden, häufen sich auf der einen Seite riesige Vermögen und damit verbunden Macht und Einfluss an. Demgegenüber wächst die Armut, wachsen Einkommensverluste und die Arbeitslosigkeit. Die ‚Verwundbarkeit’, also die unsicheren Beschäftigungs- und damit auch Lebensverhältnisse nehmen zu.

Den ‘Preis der Ungleichheit’ nennt das Joseph Stiglitz in seinem jüngsten Buch. Er spricht von einem unvertretbar hohen Maß an Ungleichheit, das die Wirtschaft selbst und die Demokratie instabil macht.

Die jahrzehntelange Umverteilung von unten nach oben hat in eine Sackgasse geführt. Noch nie waren so viele Menschen in Europa ohne Arbeit: Alleine im Monat Jänner 2013 verloren im Euroraum 200.000 Menschen ihren Arbeitsplatz. In Österreich waren zu Jahresbeginn 465.000 Männer und Frauen (registrierte Arbeitslose, SchulungsteilnehmerInnen und Lehrstellensuchende) arbeitslos, soviele wie noch nie seit 1945. In Zahlen lässt sich das damit verbundene menschliche Elend nicht fassen: In Athen prügeln sich Menschen bei Essensausgaben, um ihre Familien ernähren zu können, in Spanien kam es trotz leerstehenden Wohnungen zu massenhaften Zwangsräumungen. Heizen können sich viele Menschen in Griechenland im Winter nicht mehr leisten. In Athen sind fast 300.000 Menschen von Suppenküchen abhängig, wie in einem bedrückenden Report auf dieStandard nachzulesen ist. Nur zum Vergleich: Athen hat knapp 700.000 EinwohnerInnen. Das alles sind Beispiele und Zahlen über Verhältnisse, die in Europa als längst überwunden galten.

Wenn eine Politik, eine Krisenpolitik zu solchen dramatischen ja unmenschlichen Verwerfungen führt und die Spirale immer weiter nach unten dreht, wenn in einem ‚Spiel’ immer mehr Verlierer übrigbleiben, müssen doch endlich die Spielregeln geändert werden und nicht ‚more of the same’ weitergespielt werden. Aber vielerorts wird mantraartig wiederholt, diese Politik, diese ‘Reformen’ und ‘Maßnahmen’, seien alternativenlos. Die Menschen müssten durch ein ‚Tal der Tränen’ wird jüngst in einem Kommentar verlangt und Protest gegen Armut dagegen sei aussichtslos. So etwas kann man nur aus der Position der ahnungslosen Überheblichkeit schreiben. Die wirklichen Krisenursachen blendet man aus und auch ihre Folgen.

Was gleichermaßen passiert: die Krisenpolitik stranguliert den europäischen Sozialstaat. Wenn der Sozialstaat abgebaut wird, wird auch jeder Politik für mehr Gleichheit und Gerechtigkeit der Boden entzogen. Der Abbau des Sozialstaates ist auch der Rückbau von dem Anspruch auf eine geschlechtergerechte Gesellschaft. Wenn soziale Rechte beschnitten werden, werden Frauenrechte beschnitten. Wenn der Wohlfahrtsstaat ‚abgewickelt wird’ – wird das große Projekt der Geschlechterdemokratie abgewickelt, wie Eva Kreisky in einem Aufsatz in oben erwähnten Buch ‘Vom goldenen Zeitalter der Frauenpolitik’ darlegt:

Europaweit ist ein markanter Trend zu neoliberaler Umgestaltung von Politik und Gesellschaft festzustellen. In diesem sozialruinösen Sog hat auch die Gleichstellung der Geschlechter an politischer Bedeutung eingebüßt. [...] Gewiss ist Österreich (noch) nicht zur Gänze auf den Pfad neoliberaler Frauen- und Geschlechterpolitik eingeschwenkt. Feminismus als politische Bewegung scheint im öffentlichen Diskursfeld wieder marginalisiert. Hingegen greift zunehmend eine Rhetorik individueller „Wahlfreiheit“ um sich. Das Versprechen auf Gleichheit verschiebt sich immer mehr auf marktkonforme Teilhabe an den (Schein-)Welten des Konsums. [...] So kann der Feminismus vergangener Jahre „abgewickelt“ und der gesellschaftliche Geschlechtervertrag neoliberal revidiert werden.

 

Wenn das nicht passieren soll, wenn wir eine Spaltung und einen gesellschaftlichen Rückschritt verhindern wollen müssen Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten dort wieder ansetzen, was ihre (Frauen)politik stark gemacht hat: soziale Rechte erkämpfen, ausbauen und absichern, für gerechte Einkommen aufstehen und einstehen. Das war die Grundlage des großen frauenpolitischen Aufbruchs in den 1970er Jahren.

Und Sozialdemokratische Frauenpolitik war erfolgreich. Gemeinsam mit einer aktiven autonomen Frauenbewegung hat sie nachhaltig zu mehr Gleichberechtigung beigetragen. Am Anfang der Bewegung stand das Wahlrecht. Nicht minder bedeutsam war die Durchsetzung des Schwangerschaftsabbruchs. Die große Reform des Familienrechts zählt ebenso zu den Meilensteinen wie das Gleichbehandlungspaket und die Regionalisierung der Frauenservicestellen aber auch das Gewaltschutzgesetz. Es war bei Beschlussfassung Mitte der 90er ein weltweites Vorzeigeprojekt.

Große Schritte waren das. Erfolge von klugen und mutigen Frauen, die zusammen-gehandelt haben und damit eine Macht von unten entwickelten – wie das Hannah Arendt beschrieb: ‘Macht entspricht der menschlichen Fähigkeit, nicht nur zu handeln oder etwas zu tun, sondern sich mit anderen zusammenzuschließen und im Einvernehmen mit ihnen zu handeln.’

Dieses Zusammen-Handeln der Frauen war und ist die Grundlage des Feminismus. Der Feminismus – als großes gesellschaftliche Reformprojekt für eine menschliche Zukunft – hat die Gesellschaft verändert, Türen aufgestoßen, Mauern abgetragen und die Verhältnisse ein wenig gerechter gemacht. Aber abgetragen sind die Ungleichheiten nicht. Die Tagesordnung des Feminismus ist noch nicht erschöpft. Wir blieben nicht auf halber Strecke stehen.

Denn unsere Tagesordnung ist noch zu voll:

Nur ein paar Beispiele:

  • Wir haben ein Gleichbehandlungspaket umgesetzt. Verbindliche Normen für Entgeltgleichheit, ein Gesetz, das verpflichtend die Durchforstung von Betriebsvereinbarungen und Kollektivverträgen auf Diskriminierung vorsieht gibt es nicht. Noch immer fehlen branchenübergreifenden Verfahren zur Arbeitsbewertung, die zum Ziel haben, Arbeit so zu bewerten, dass nicht am Ende immer die Gleichung aufgeht, dort wo überwiegend Frauen arbeiten, sind die Löhne besonders niedrig.
  • Der Schwangerschaftsabbruch ist umgesetzt, aber wir haben ursprünglich gefordert dass er kostenfrei sein muss – zu Recht.
  • Wir haben eine Familienrechtsreform auf den Weg gebracht aber die Lücken beim Unterhaltsanspruch sind groß, die Hälfte der Alleinerzieherinnen erhält für die Kinder keinen regelmäßigen Unterhalt.
  • Wir haben das Gewaltschutzgesetz verwirklicht – aber von einer ausreichenden Versorgung mit Frauenhäuser sind wir weit entfernt. Wir benötigen dringend den Ausbau der Gewaltschutzeinrichtungen, finanziell sowie personell.
  • Frauenservicestellen waren ein großer Erfolg, weil damit Beratung vor Ort für Frauen erreichbar wurde. Aber noch immer sind viele der Frauenberatungseinrichtungen unterdotiert und in einigen Regionen gibt es kein Beratungsangebot für Frauen.
  • Ein Pflegegeld wurde eingeführt, aber Pflegefachkräfte werden viel zu niedrig entlohnt und nach wie vor gibt es Mangel an Tagesstrukturen und Pflegeheimen.
  • Frauen müssen ihren Ehemann nicht mehr um Erlaubnis fragen, ob sie arbeiten gehen dürfen, aber ihre Entlohnung orientiert sich immer noch daran, dass sie ja eh verheiratet ist und bei vielen Sozialleistungen haben Frauen keine eigenständige Ansprüche – Stichwort Notstandshilfe.
  • Rechtsanspruch auf einen Kinderbetreuungsplatz gibt es noch immer nicht.

Die Liste ist noch lang – aber es zeigt, die strukturellen sozialen Ungerechtigkeiten und Ungleichheiten sind nicht beseitigt. Gleichzeitig untergräbt die ständige Betonung von Markt und Wettbewerbsfähigkeit den sozialen Fortschritt weil er die Menschen in Konkurrenz zueinander stellt und soziale Sicherheit hinter die Interessen der Wirtschaft reiht. Konstantin Wecker textet dazu treffend in seinem Lied ‘Empört euch’: Die Menschenwürde, hieß es, wäre unantastbar, jetzt steht sie unter Finanzierungsvorbehalt.”

Unsicherheit, Ungleichheit, Ungerechtigkeit nimmt zu. Diese Entwicklung ist nicht ‘alternativenlos’. Stellen wir dem  die Vision einer gerechten Gesellschaft entgegen, die Vision eines demokratischen Staates, eines neubegründeten Europas, in dem BürgerInnenrechte ausgebaut und verteidigt werden, wo Gesundheit, Wohlbefinden und die Wohlfahrt aller im Zentrum stehen und nicht die Gewinninteressen weniger. Dafür braucht es auch eine Politik, die um ihre Vorrangstellung streitet und ihre Unterordnung unter Wirtschaftsinteressen und Finanzmärkte bekämpft. Das ist keine einfache Aufgabe. Aber ein Programm, das sozial gerechter, gesellschaftlich fortschrittlicher und wirtschaftlich vernünftiger ist, eine Politik, die Wohlergehen der Mehrheit von Männern und Frauen als Orientierungspunkt setzt  – kann Mehrheiten dafür gewinnen und eine Atmosphäre für einen Politikwechsel erzeugen.

Oder in anderen – wohl bekannten Worten:

 

Wenn wir zusammen gehen kommt mit uns ein bessrer Tag. Die Frauen, die sich wehren, wehren aller Menschen Plag her mit dem ganzen Leben: BROT UND ROSEN!

 

(Zusammengefasstes aus der Rede zum Frauentag der SPÖ-Frauen Oberösterreich, 9. März 2013, Wels)

 

 

 

 

 

Ein Kommentar

  1. Sonja Ablinger ist eine gefährliche Hetzerin – gegen die Österreichischen Interessen und Menschen

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