Sonja Ablinger

Frauenpolitik ist keine Märchenstunde oder: Pfeif’ auf den Prinzen und nimm’ das Pferd!

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Ich habe vor wenigen Wochen meinen Rücktritt als SPOÖ-Landesfrauenvorsitzende bekannt gegeben habe. Am 16. November 2014 habe ich die Staffel an meine Nachfolgerin Sabine Promberger übergeben, das tue ich mit großer Zuversicht, sie ist eine Frau mit erfrischendem Widerspruchsgeist, mit Klarheit und feministischem Verständnis für sozialdemokratische Frauenpolitik. Sabine Promberger hat schon bei ihrer Designierung ein klares Bekenntnis abgelegt: „Männer müssen wissen, was sie davon haben, wenn sie eine gute, fortschrittliche Frauenpolitik mittragen. Sie müssen damit leben können, dass wir Frauen nicht zu allem Ja und Amen sagen.“

Ich freue mich, dass sie meine Nachfolgerin ist. Hier sind einige Auszüge aus meiner Bilanz und Abschiedsrede bei der SPÖ-Frauenkonferenz nach zehn Jahren Frauenvorsitz, einige Anmerkungen zur Quotendiskussion in der SPÖ und zum neuen Statuenvorschlag, mit dem eine sogenannte ‘Verschärfung’ der Quotenregelung ankündigt wird.

 

Ich habe vor zehn Jahren mit großem Respekt die Funktion der Landesfrauenvorsitzenden von Barbara Prammer übernommen. Ich war stolz über das Vertrauen, dass sie mir damit geschenkt hat, aber gleichzeitig wusste ich, dass ich als Nachfolgerin von Barbara mit einem sehr großen Maßstab gemessen werde.

Wir haben uns gemeinsam vor zehn Jahren einiges vorgenommen für die SPÖ-Landesfrauenorganisation. Unser Motto war: ‚Keine halben Sachen – aufs Ganze gehen!’ Das war die Präambel unserer frauenpolitischen Arbeit. Wir wollten unser Selbstverständnis der Frauenarbeit aber  nicht nur in unseren Präambeln formulieren, sondern auch mit unseren Handlungen und Haltungen wirksam werden lassen. An drei Punkten möchte ich das zusammenfassen:

  1. Wir verstehen uns als politische Frauenorganisation und damit gleichzeitig als Teil der Frauenbewegung, denn: Sozialdemokratische Frauenpolitik hat ihre Erfolge und Durchsetzungskraft gerade dort, wo sie sich ins Bündnis mit einer fordernden Frauenbewegung gesetzt hat. Das Gesetz zum Schwangerschaftsabbruchs in Österreich, das Gleichbehandlungspaket oder das vorbildliche Gewaltschutzgesetz wäre nicht durchsetzbar gewesen, hätten nicht die sozialdemokratischen Frauen gemeinsam mit der autonomen Frauenbewegung in einem breiten Bündnis und mit vielen öffentlichen Debatten dafür mobilisiert.
  2. Wir wollen und wollten zuverlässige Ansprechpartnerinnen für Frauen und Fraueninitiativen sein – und dafür im Austausch und Netzwerk die nötige Expertise und Tatkraft entwickeln. Es geht und ging uns darum, an konkreten Beispielen die strukturelle Benachteiligung von Frauen aufzuzeigen, sie gemeinsam zum Thema zu machen und politische Lösungen einzufordern. Frauendiskriminierung hat viele Facetten. Sie alle wurzeln in der strukturellen Ungleichverteilung von Ressourcen, Macht und Einfluss.
  3. Unsere politische Vision erschöpft sich nicht in Gleichstellung und Gender Mainstreaming. Feminismus ist für uns die Utopie einer solidarischen Gesellschaft, in der Frauen und Männer aufrecht und sinnvoll leben könnten. Feminismus ist für uns auch ein anderer, ein neuer Gesellschaftsentwurf

Das Bekenntnis zur Quotenregelung ist Teil unseres politischen Selbstverständnisses. Die Auseinandersetzungen um die Einhaltung der Geschlechterparität führen wir als Landesorganisation der SPÖ-Frauen in Oberösterreich nicht zum ersten Mal. Für uns ist die Quotenregelung nicht eine mathematische Angelegenheit, sondern sie ist gleichsam erst die Voraussetzung für die Durchsetzung gleichstellungsorientierter Politik. Die gleichberechtigte Mitentscheidung von Frauen in politischen Gremien ermöglicht überhaupt erst, dass die Interessen von Frauen mit ihren spezifischen Lebenslagen gewahrt und für Entscheidungen relevant werden.

Vor diesem Hintergrund ist der stete Rückgang der Frauen im SPÖ-Nationalratsklub (von 38% im Jahre 2006 zu nun unter einem Drittel) und die seit Jahrzehnten vielfach verweigerte Durchsetzung des Mindestanteils von Frauen in politischen Ämtern, die Widerspiegelung des schwindenden Interesses an Gleichstellung und Gleichberechtigung. Darüber hinaus verliert die SPÖ-Forderung nach mehr Mitbestimmung von Frauen in Aufsichtsräten und anderen Entscheidungsorganen völlig an Glaubwürdigkeit, wenn die Partei selbst in ihren Beschlüssen eine Quotenregelung nur ‚situationselastisch’ anwendet.

Das wollen und wollten wir als SPÖ-Frauen in Oberösterreich nicht hinnehmen – jedenfalls nicht ohne Widerspruch. Wir haben als Frauenorganisation aber auch Verantwortung, welches Signal wir zum Umgang mit der Geschlechterquote aussenden, gerade auch für kommende Entscheidungen über Wahllisten bei Gemeinderats- und Landtagswahlen im nächsten Jahr. Darum haben wir uns nach einer langen und intensiven Debatte für den Antrag zur Einsetzung eines Schiedsgerichts entschieden. Diesen Antrag hat der Landesparteivorstand einstimmig angenommen und das Schiedsgericht hat seine Arbeit aufgenommen. Wir werden sehen wie diese Schiedsgerichtsentscheidung in Oberösterreich ausfällt. Sie wird ganz erheblich ein Signal für kommende Entscheidungen über Wahllisten bei Gemeinderats- und Landtagswahlen im nächsten Jahr sein. Sie wird auch ein Signal nach außen sein.

Denn wir müssen festhalten: 30 Jahre nach Beschluss wurde und wird die Quote in der SPÖ häufiger ignoriert als eingehalten. Fifty-Fifty bei Mandaten gab und gibt es nur in wenigen Fraktionen von Landtagen – die oberösterreichische Landtagsfraktion war zumindest eine davon – sie sollte es auch wieder werden. Im Nationalratsklub sind wir nun weit davon entfernt. Es gelang nie, die Durchsetzung der Geschlechterquote zum gemeinsamen Anliegen der Partei zu machen. Es waren immer die Frauen, die sie einfordern und rechtfertigen mussten. Es waren immer Frauen, die ihre Qualifikation unter Beweis stellen mussten. Die Quotenregelung blieb Frauensache, ihre Einhaltung blieb im Ungefähren.

Das – so heißt es nun – wird aber jetzt ganz anders. Jetzt wird – so heißt es – die Quotenregelung verschärft und mit Durchgriffsrecht versehen. Ehrlich gesagt, ich war immer der Meinung, die Quotenregelung ist scharf genug, man muss sie nur einhalten. Das Problem ist auch nicht die Wahlordnung – sondern da und dort der fehlende politische Wille.

Im SPÖ-Antrag zur Statutenänderung bei der Quotenregelung wird nun in jenem Absatz der statutarischen Quotenregelung, der die geschlechtergerechten Mandatsnachbesetzungen regelt, ein Halbsatz eingefügt, wonach die Frauenquote nur noch unter Berücksichtigung der gesetzlichen Bestimmungen einzuhalten ist. Im Klartext bedeutet es, dass Männer hinkünftig nicht mehr für gerechten Frauenanteil im Parlament verzichten sollen. In anderen Fällen kann weiterhin verzichtet werden, also wenn ein bestimmter Mann nachrücken soll. Denn dieser Hinweis auf die gesetzlichen Bestimmungen wird nur bei der Quotenregelung eingeführt, in allen anderen Fällen heißt es weiterhin im SPÖ-Statut unter Paragraf 18 Absatz 8, dass bei Freiwerden eines Nationalratsmandates der Bundesparteivorstand entscheidet, wer in den Nationalrat berufen werden soll – ohne Hinweis auf die gesetzlichen Bestimmungen und mit Verzichtsmöglichkeit. Für Frauen soll nicht mehr verzichtet werden, wenn es um die Nachrückung eines Mannes geht, dann schon. Sorry to say: eine Aushebelung der Quotenregelung ist keine Verschärfung! Man soll uns bitte keine Märchen erzählen.

In die Märchen-Abteilung gehört auch die männliche Textschablone ‚Habt ihr keine anderen Sorgen?  Ihr immer mit euer Quotendebatte!’ – Klar haben wir andere Sorgen und die würden wir auch gerne mit vielen anderen teilen, insbesondere mit männlichen Bündnispartnern. Denn wir würden gerne diese Sorgen nicht mehr haben: 80%ige Männerquoten, Einkommensdiskriminierung, sexuelle Gewalt gegen Frauen, und weibliche Altersarmut. Wir hätten vor allem gerne, dass Frauendiskriminierung auch Männer massenhaft auf den Plan ruft – und sie sich zum Beispiel gegen den wachsenden Frauenhass der Antifeministen lautstark zu Wort melden und ihn in die Schranken weisen.

Wir hätten zum Beispiel gerne endlich die Abschaffung des Partnereinkommens bei der Notstandshilfe. Wir hätten gerne, dass 10.000e Frauen endlich ihre Notstandshilfe erhalten. Sie haben schließlich dafür einbezahlt. Auch da wird gerne mit einem Märchen geantwortet: ‚Dafür ist kein Geld da – das können wir uns nicht leisten!’ Offensichtlich ist nur für die Frauen kein Geld da. Heuer im September hat sich nämlich etwas Interessantes zugetragen: Da kam Kritik auf, dass Nebenerwerbsbauern kein Arbeitslosengeld und keine Notstandshilfe mehr erhalten. Kurzer heftiger Protest des Bauernbundes folgte und schon hat der Minister reagiert. Im Oktober beschloss der Ministerrat eine Änderung. Nun erhalten die Nebenerwerbsbauern wieder ihre Leistung aus der Arbeitslosenversicherung – und zwar rückwirkend ab 1. Jänner 2014. Es sei Ihnen vergönnt. Aber man soll uns bitte keine Märchen erzählen, dass ‚wir uns das nicht leisten können’. Man soll bitte einfach auch den Frauen ihre eigenständigen Ansprüche garantieren.

Das ist nämlich dringender geboten denn je: die Langzeitarbeitslosigkeit bei Frauen ist in Oberösterreich im Oktober im Vergleich zum Vorjahresmonat um 111(!!) Prozent gestiegen sind. Diese Zahlen passen so gar nicht zu einem anderen Märchen, in dem es heißt: ‚Wir sind gut durch die Krise gekommen.’ Da stellt sich nämlich die Frage: wer ist gut durch die Krise gekommen? Und für wen ist die Krise vorbei? Für den Großteil der Frauen – aber auch Männer – jedenfalls nicht.

Ganz im Gegenteil, wir haben hierzulande eine so hohe Arbeitslosigkeit wie seit den 1950er Jahren nicht mehr. Immer mehr Frauen – und Männer geraten in ökonomisch prekäre Lagen. In Niederösterreich wird in einem Betrieb über Lohnkürzung abgestimmt und 95% der Beschäftigten stimmen zu. Die Unternehmensführung hat im Vorfeld mit Kündigungen gedroht. Das nennen die dann wohl auch noch demokratische Mitbestimmung. Das ist so zynisch, da fehlen mir die Worte.

In diesem Klima gedeihen dann die Märchen vom Nicht-leisten-können, vom Sachzwang und von der Alternativlosigkeit. In so einem Klima verschwinden Frauenfragen von der Tagesordnung oder werden zu sogenannten ‚Orchideenthemen’. In so einem Klima gerät die Frauenfrage unter Druck, schwindet das Interesse an Geschlechterpolitik. Und dieses Desinteresse lässt uns ja selbst oft verzweifeln und mutlos werden.

Gerade darum war es umso erstaunlicher, welch breite Öffentlichkeit die Auseinandersetzung um die Quotenregelung erreicht hat. Wir waren überrascht, von den vielen Reaktionen. Unzählige Frauen haben uns geschrieben und von ihren eigenen Erfahrungen berichtet. Es waren die unterschiedlichsten Erzählungen aus ganz verschiedenen Bereichen. Gemeinsam war ihnen die Empörung, wie in unserer Zeit Frauenthemen abgehandelt oder abgewickelt werden.

Vielleicht ist es also doch nur ein Märchen, dass die Quotenregelung so kompliziert ist und dass das Thema den meisten Frauen sowieso wurscht ist? Vielleicht ist es eben doch mehr als eine symbolische Frage? Und vielleicht misst sich gerade darin die Glaubwürdigkeit der SPÖ in Frauenfragen? Vielleicht besteht darin auch die Chance für einen neuen Aufbruch?

Denn vielleicht heißt es in dem Märchen eigentlich: Pfeif auf den Prinzen – nimm das Pferd!

 

 

Ein Kommentar

  1. Du hast recht. Im letzten Satz. NIMM DAS PFERD !!!!!
    Wenn es dem Prinzen was wert ist, sucht er es!
    Wenn nicht geht er zu fuss, oder er nimmt den Dienstwagen.
    Bei verlorener Wahl hat er dann keine Dienstwagen mehr.
    Was dann? Abfertigung, Pension, Aufsichtsratsposten in einer Frauenquotenerfüllenden Firma. (glaub ich nicht). Gut — dann alt pflegebedürftig!!
    Wer pflegt ??? Frau (eigene) huhu. Andere? (Krankenschwester vielleicht)??
    ER WIRD SEIN “PFERD” SUCHEN: Sollte er es finden…………….wird es wieder keinen Tritt in den Ars………………… geben. Leider. Glück auf!! Werner

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